Sonntag, Mai 14, 2006

Shit happens ... der Tag danach

Wenn man denkt , es könnte nicht besser laufen , kommt irgendwann der Hammer des Lebens und schlägt einem die Schädeldecke ein. Kurz zur Vorgeschichte : Wir schreiben Donnerstag , den 11.Mai 2006 8:30 ; ich gehe wie jeden Tag in der Früh zum Anker , kaufe mir mein Frühstück , einen Kakao und ein Pariserkipferl und mache mich damit auf in den 7ten Stock um meinen Arbeitstag zu beginnen. Wie ich zur Eingangstür meiner Firma komme , sehe ich schon durchs Glas , daß sich da einiges tut ( um diese Uhrzeit sehr ungewöhnlich ) . Ich öffne die Tür , mir wird eine Liste vor die Augen gehalten wo die Namen aller Mitarbeiter mit dazugehöriger TelNr. und email-Adresse angeführt waren und ich werde gefragt ob das meine aktuellen Daten sind. Ich beantwortete mit "JA" und sogleich wurde ich von einem amerikanischen Sicherheitsbeamten ( 1,90m groß , schwarzer Anzug wie man es von Leuten der CIA aus dem Fernsehen kennt ) in einen Raum geführt um mir dort einen Zettel vor die Nase zu halten wo ich die fettgedruckte Überschrift schnell ausmachen kann : COMPANY CLOSED ! Ich will genauere Informationen erfragen , bekomme aber keine befriedigenden Antworten , werde sofort von einem anderen Security zum Hinterausgang geschleust und auf die Straße gestellt. Dort saßen bereits einige meiner Kollegen und erst jetzt wird mir die Situation klar. Die Firma wurde über Nacht einfach zugedreht und sage und schreibe 97 Mitarbeiter hatten genau ab diesem Zeitpunkt keinen Job mehr. Ich eingeschlossen. Damned ! Nach und nach trudelten alle meine Arbeitskameraden ein , erfuhren die die gleiche Prozedur und trafen sich alle in einem Lokal in der Lobby des Business Parks um sich bereits um 9:30 den Frust von der Leber zu saufen. Das funktionierte auch ganz gut und so wurde gesoffen bis spät in die Nacht. Rockstar Vienna gibts nicht mehr. Und warum , weiß bis heute niemand . Jedenfalls sind wir alle noch über 2 Monate angestellt , bekommen unser Geld , dürfen die Firmenräume aber nicht mehr betreten.
Der nächste Morgen : Mit einem leichten Schädelbrummen werde ich wach und versuche den vergangenen Tag etwas Revue passieren zu lassen. Ja ich saß in der Scheisse . Das war klar.
Aber dennoch konnte ich dem ganzen was positives abgewinnen : Es ist Mitte Mai und nicht Dezember - ich bin noch angestellt , brauche aber nicht arbeiten gehen. Resumee : Ich habe verdammt viel Zeit zum fischen . Und so nahm ich mein Tackle , lud es in mein Auto und fuhr sofort ins Burgenland um bei einer feinen Feederpartie den Kopf frei zu bekommen. Es hatte 25°C , herrlicher Sonnenschein und die Enten drehten mit ihrem frischen Nachwuchs behutsam ihre Runden um sie auf die Härte des Lebens vorzubereiten. Ja das Leben ist kein Zuckerschlecken , versuchte ich ihnen im Gedanken zu suggerieren. Ich wußte es in diesen Minuten nur zu gut.
Und so legte ich die Grundrute mit einem ordentlich Mistwurmbündel an den Schilfrand einer Insel ( da hatte ich Polsi´s Schleien im Hinterkopf ) und mit der Feederrute wurde in gewohnter Manier die Kante zum tieferen Mittelwasser bearbeitet. Keine 15 min später der erste Hammerbiss an der Feeder. Ich musste die Bremse öffnen und mein Gegenüber riss mit unvorstellbarer Gewalt die Schnur von der Rolle. Fetter Karpfen , wie das Amen im Gebet . Ich versuche ihn zu bremsen um ihm nicht die Chance zu geben in den Schilfgürtel zu flüchten. Doch sogleich folgte die Ernüchterung ; schlaffe Schnur , kein Widerstand - ausgeschlitzt. Nein , das durfte es nicht geben. Alles was ich was ich berührte war ein Griff ins Braune. Also neue Fliegenkinder an den Haken und wieder raus an die Kante. Kurze Zeit später , der nächste Biss und ich konnte den ersten Fisch des heutigen Tages , einen kleinen Schuppenkarpfen landen . Dann folgte Brachse auf Brachse . Urplötzlich Run auf der Grundrute und meine derben Zukunftsgedanken sind wie weggeblasen. Ich fighte mit meinem Widersacher , behalte aber die Oberhand und kann ihn nach wenigen Minuten in den Kescher zwingen. Ein schöner 5pfündiger Spiegler schwimmt nach kurzem Fotoshooting wieder in seinem Element. Also neue Mistwürmer an den Haken gebracht und wieder exakt auf den Spot bei der Insel. Sollen mich die Amerikaner doch fest am Arsch lecken , wenn ich hier in meiner Heimat die Karpfen drillen kann. Ich bemerke leichte mentale Aggressionen gegenüber dem amerikanischen System. Wieder egal , da ich die Spitze meiner Feeder Zaubertänze aufführen sehe. Anschlag und ich spüre die unbarmherzige Kraft dse Burschen am anderen Ende der Leine. Das war kein Brachsen , sondern pure rohe Karpfengewalt. Ich ließ ihm etwas Schnur nehmen , da ich nicht neuerlich solch einen Burschen an der Feeder verlieren wollte. Dann wieder dezentes Pumpen , Schnur geben , pumpen. Leider gewinne ich kaum einen Meter. Das war ein gutes Kaliber , ich spürte das Schlagen bis in meinen Unterarm. Nach gut 20 Minuten trennten uns nur mehr ca. 5m Schnur , aber ich hatte keine Chance ihn an die Oberfläche zu bewegen oder noch näher heranzupumpen. Also nahm ich im Gras Platz , rauchte mir während des Drills ala tirolerstyle-Ferdl eine an und ließ ihn ordentlich austoben. Nach geschlagenen 35 Minuten gab er auf und ich konnte einen makellosen 13pfündigen Schuppenkarpfen in den Selbstauslöser meiner Digicam halten. Ich war glücklich , denn ich hatte gewonnen. Dann erfuhr ich ca. 3 Stunden keinen einzigen Biss mehr , der Teich war wie ausgestorben und nicht mal die Enten konnte ich in dieser Zeit ausmachen , als schien die Welt jeden Augenblick unterzugehen. Wieder verlor ich mich in den Gedanken meiner unsicheren Zukunft . Was sollte ich jetzt machen , würde ich wieder so einen guten Job bekommen , wie sollte es weitergehen ? Da riss mich der Bissanzeiger der Grundrute abermals aus meiner Trance und ich konnte den letzten Karpfen des heutigen Tages über den Kescherrand führen. Ein schöner 8Pfünder zum Abschluß ließ mich meine Sachen packen um nach Hause zu fahren. Während der Heimfahrt war ich mental bei weitem nicht mehr so down wie ich es bei der Hinfahrt gewesen war und irgendwie hatte ich neue Kraft geschöpft. Es würde sich schon wieder was ergeben , ich bin ja schließlich kein Idiot und ich habe genug Fähigkeiten um einen guten neuen Job zu bekommen. Es wird schon klappen . Somit kann ich jedem Menschen , dem es in allen erdenklichen Situationen gerade nicht sehr gut geht , nur empfehlen , einfach angeln zu gehen und ein wenig die Gedanken schweifen zu lassen. Solange es eine intakte Natur gibt und solange wir die Möglichkeit haben , Fische fangen zu können , solange werden wir uns nicht unterkriegen lassen , solange werden sich Lösungen finden lassen ...
tight lines
sludgE