Freitag, Mai 04, 2007

Zurück vom Fluß der Hoffnung !

Ja, wir sind wieder da. Retour von einer Woche Sonne, Hoffnung, Schlamm und Fisch; retour von einem der beeindruckensten Großflüsse Europas; retour vom vielversprechenden italienischen Po. Und so erging es uns :
Am Samstag den 21.April brachen mein Dad und ich um 2 Uhr Nachts Richtung Italien auf, fuhren eigentlich ohne sonderbare Zwischenfälle die 750km nach Corbola, und erreichten morgens um 10 Uhr stresslos das Camp. Schnell wurden die administrativen Tätigkeiten für Unterkunft, Boot und dgl. getätigt, um natürlich gleich heute mal den Fluß etwas zu sondieren, und die Gegebenheiten meinem Dad etwas zu erläutern, da er das erste Mal vor Ort war. 6 Meter unter Normalstand war nicht gerade eine vielversprechende Tatsache, was uns aber trotzdem ohne Vorbehalt an die Sache herangehen ließ. Nach einer halben Stunde wurde mal geankert, die 4 Welsmontagen zu Wasser gelassen und natürlich gleich mal nebenbei die Unterwasserkanten mit der Feederrute beackert. Unser System, die Fische an der Strömungskante zu suchen, war eigentlich goldrichtig, denn wir mussten nicht mal 10 Minuten auf den ersten Biss warten. Und ab nun ging es Schlag auf Schlag. Brachsen auf Brachsen, einer größer als der andere. Jaaaaaaa. Obwohl es vom Boot nicht gerade ein Zuckerschlecken war, durch den Wald aus Ästen, Welsruten und deren gespannten Leinen, an die gewünschten Stellen werfen zu können, hatten wir einen Heidenspass und fingen wie in der Hölle selbst. Das war improvisiertes Feedern vom Feinsten. Gegen 16 Uhr machte sich plötzlich ein Shimano-Baitrunner mit einem lanksamen knatterten Dauertakt bemerkbar, welcher vom ersten Biss am Welsköder ( lebender Aal ) kündete. Muahahah- so konnte es losgehen. Gespannt sahen wir zu, wie die 200gr Pose langsam unter der Oberfläche verschwand, ich zog vorsichtig die Rute aus dem Bootshalter, legte behutsam den Freilaufhebel um und schlug an. Volle Batterie ! Kurzer Widerstand und weg. Der Aal auch. Tja, was sollte man machen. Also wurde ein neuer 40er Aal hervorgezaubert und zu Wasser gelassen. Das Feedern konnte weitergehen. Damned - gleich mal den ersten Welsbiss verschissen. Hoffentlich mochte es noch viele Möglichkeiten geben. Dazwischen gute Karauschen bei meinem Dad, und Brachsen um die 50cm.Etwa gegen 18 Uhr beendeten wir unseren erfolgreichen Angeltag, fuhren mit dem Boot zurück ins Camp und gingen erstmal, nach einem herrlichen Mahl, das uns einer der heissgeliebten Instant-Grills bescherte, zeitig in die Federn, um am nächsten Tag nun endlich voll anzugreifen.
Dies geschah auch so und Dad schraubte gleich zu Beginn der Session den Brachsenrekord auf 55cm, wobei ich mit nur einem Zentimeter drunter die interne Brachsenwertung verlor. Aber unter solchen Umständen verlor ich gerne.
Am Abend wurde erstmals am Hauptstrom geankert, um die besonders verheissungsvolle Dämmerungsphase nur den Monstern zu widmen. So fischten wir an einer steil abfallenden Lehmkante direkt neben der Uferböschung in etwa 4m Tiefe. Leider durften wir an diesem Abend keinerlei Bisse erfahren, sodaß wir nicht mal die Möglichkeit hatten, einen zu versemmeln.
Am nächsten Tag hatten wir als alte Feederer die glorreiche Idee, doch gleich vom Ufer aus zu fischen, und das Welstackle gar nicht mit aufs Boot zu nehmen. Dies war nur unnötiger Ballast und die Chance, jetzt in dieser Flussphase einen der Giganten untertags ans Band zu bekommen, von vermeintlichen Experten als nicht gerade wahrscheinlich angesehen wurde. Da fiel es uns nicht schwer, eine geeignete Sandbank in einer Innenkurve zu finden, auf der wir normal sitzen und vernünftig angeln konnten. Die Sonne strahlte vom Himmel, der Sand knirschte zwischen den Zehen und die Rinne in der Aussenkurve des vielleicht 40m breiten Flussabschnitts bescherte uns ein Geschenkt nach dem Nächsten. Gute Brachsen, Schiede, kleine Barben und Karauschen. Einfach nur mehr geil.Am Abend wurde wieder zu den schweren Waffen gegriffen, um abermals die Jagd auf die Schlammgiganten mittels Driften einzublasen, was sich trotz mehrstündigem Absuchens vieler Löcher als nicht erfolgreich herausstellte, da wir wieder keinen Biss zu verzeichnen hatten.
Trotz dieser Tatsache, bescherten uns die malerischen Sonnenuntergänge über dem Delta, Stunden der Ruhe und des Friedens, wie ich sie selten zuvor erlebt hatte. Und wir sahen wie sich vielleicht 10 Meter neben unserem Boot gigantische Welsrücken durch die Wasseroberfläche schälten, um uns wenigstens einen Blick auf diese gewaltigen Räuber zu gewähren.
Tja, man konnte nichts erzwingen und musste die Sache locker angehen. Nach dem Frühstück wurde wieder mal das Feedertackle ins Boot gepackt, zur geliebten Sandbank gefahren, die Aussenkurve bearbeitet um sich nebenbei gemütlich die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen, während man die Monsterbrachsen drillte. Mann, ... wir waren im Urlaub und auf keiner Feedertrophy. Und so griff ich irgendwann dazwischen zu einem Köder, der lange Zeit auf der Reservebank sein Dasein fristete und noch nie einen Fisch gebracht hatte. Die Rosenkäferlarven, die meiner Freundin´s Blumenzwiebel gefressen hatten und die ich selbstlos vor der Toilettenspülung gerettet habe, kamen nun endlich zum Einsatz. Und als ich so nebenbei für´s Video die Larven filmte, wie sie sich langsam in die Erde robbten, brach die Bremshölle 60cm neben meinem rechten Ohr auf mich nieder. Erst nach, für mich im Nachhinein ewig langen Sekundenbruchteilen, kapierte ich erst was da los war. Monsterbiss an der Feeder, den die Bremse war nicht gerade so eingestellt, daß jeder daherkommende Brachsen einfach ein paar Meter runterziehen konnte. Und da liefen Meter. Einige. Uhhhhhhh. Anschlagen konnte ich mir getrost ersparen, weil das, was da am anderen Ende der Leine zerrte, musste gewaltig sein. Und nun begann ein Drill, wie ich ihn noch nie in meiner Angelgeschichte erleben durfte. Der Fisch schwamm vorerst einige Meter auf mich zu, was mich völlig am Boden, zur Annahme kommen ließ, ich hätte ihn verloren, dann drehte er plötzlich ab, ließ sich in die Hauptströmung gleiten und einige Sekunden später machte er mir missverständlich klar, daß er noch am Haken war. Jeder Fehler meinerseits würde jetzt mit Feederrute und in diesem Falle lächerlich anmutender 0,25er Mono, zum unweigerlichen Fischverlust führen. Ich riskierte nichts, gab ihm Schnur wenn er sie wollte, versuchte so weit als möglich dem Fisch nachzugehen und konterte nur äußerst vorsichtig. Nach 40 Minuten Hammerdrill wußten wir noch nicht mal, was da eigentlich die Käferlarve eingesaugt hatte und mit mir sein Spiel trieb. Ich flehte den Teufel an, daß es keine Schwachstelle zwischen mir und dem Fisch gab. "Laß mich diesen Fisch keschern...koste es was es wolle...". In diesen bangen Minuten hätte ich bedenkenlos meine Seele verkauft.
Dann plötzlich ein Schwall und ich kann erstmals die riesige Schwanzflosse eines Karpfens erkennen. Jaaaaaaaaa, Karpfen....Monsterkategorie. Hoffentlich saß der Haken gut. Aber wenn er bis jetzt gehalten hatte, würde er nun auch nicht mehr ausschlitzen, versuchte ich mich zu beruhigen. Und nun stand er in aller Seelenruhe etwa 10 Meter von mir entfernt am Grund und ich hatte keine Chance, ihn von dort wegzubekommen, ohne sinnlosem Gewaltrisiko. Fast genau eine Stunde nach dem Anbiss gab er dann nach und ich konnte einen gewaltigen Schuppenkarpfen über den viel zu klein anmutenden 80er Kescherrand führen. Was war das für ein herrliches Tier. Makellos. Kraftvoll. Heroisch und königlich wirkte er im gleissenden Licht der Sonne...ich hatte ihn bezwungen; den" King of the River". Und alle Welsflaute war vergessen. Unglaublich. Und dieser fantastische Fisch hatte die einzelne Larve vermutlich im Vorbeigrundeln eingesaugt. So ein Glück musste man haben. Ein Fisch wie aus dem Bilderbuch.
Schnell wurden ein paar "Trophäenfotos" geschossen, um dann sofort den König wieder in sein Reich zu entlassen. "Machs gut tapferer Recke; du hast mir einen Drill beschert, wovon andere ein Leben lang träumen". Wie kann man Situation beschreiben, wo plötzlich alles rundherum egal ist, alle Schneidertage vergessen und alle etwaigen "Sorgen" derart in die Ferne rücken, daß man sich wirklich völlig frei fühlt ? Gar nicht. Man muss sie erleben. Und dies war so ein Augenblick, als der riesige Schuppige mit langsamen aber kraftvollen Flossenschlägen in trüben Tiefen verschwand.
Jetzt wurde von mir erstmal in aller Ruhe eines Siegeszigarette geraucht und die gerade erlebten Momente mental verarbeitet. Ich hatte diese Stunde wie in Trance erlebt und mir wurde jetzt erst langsam bewußt, was da grade eben los war. Wahnsinn.
Nebenbei fing Dad die nächste schöne Karausche, worauf auch mein Hunger wieder geweckt war, und ich mit einer seltenen Lässigkeit an die Sache heranging. Und die nächsten feinen Brachsen ließen sich das Madenbündel schmecken. Wenns geht, dann gehts. Da kannst du machen was du willst. Der gefüllte Futterkorb schlägt mehr oder weniger exakt am Futterplatz ein, du stellst die Rute hin, spannst die Schnur, bringst vielleicht ein, zwei Futterbälle mit der Schleuder nach und dann folgt der Biss. Zack, dezenter Anschlag und die nächste 45+ Brachse kann vom Haken gelöst werden. Da geht alles.
Am Abend führte wieder obligates Wels-Driftfischen in der Dämmerung zum Nichterfolg, aber was glaubt ihr, wie egal mir das heute war. Unbeschreiblich egal. Die Waller konnten bleiben wo der Pfeffer wächst. Ich hatte den "King" gefangen. Mit Feeder. Der Hammer meines Anglerdaseins. Was war das für ein Tag?!
Der nächste Tag begann wie die anderen vorher, mit einer gelassenen Feedersession an unserem kleinem italienischen Strand, wo die Wellen leise in dem angeschwemmten Altholz flüsterten und die Welt noch in Ordnung war. Unsere Innenkurvensandbank hatte Potential, welches der Fang von"King" nur eindeutig bestätigte. So unscheinbar sie aussah, so gewaltig waren die Schätze die sie in der Rinne der Aussenkurve geheimhielt. Was mochte da unten in 6 Meter Tiefe noch alles auf unsere Köder warten ? Meine Träumereien waren grenzenlos. 80er Brachsen ? 10Kilobarben und Meterschiede ? 30er Karpfen ? Jaaaaa, ich war bereit.
Meine erträumten Angelwunder konnte ich leider nicht ganz erreichen, aber dennoch fingen wir wieder quer durch die Artenvielfalt unseres Flussabschnitts. Barben, Schiede, kleine Karpfen, Karauschen und selbstverständlich Brachsen. Es war einfach wieder mal "ein Gedicht" !
Abends wurde erstmals in dieser Woche beschlossen, die ganze Nacht draussen zu bleiben, um die Chance auf einen der Po-Giganten zu erhöhen und die Kräfte zu forcieren. Um 4 Uhr morgens beschlossen wir, angetrieben durch die arktische Kälte, Schlafmangel und Bissunlust der Welse, den Heimweg anzutreten und es für heute gut sein zu lassen. Obwohl die Morgendämmerung eine vermeintlich gute Beißzeit versprach. Aber das hatten die Abenddämmerungen auch versprochen. Wenn die nicht wollen, kannst du machen was du willst.
Und genau in dieser Nacht wurde mir klar, daß aus mir kein Welsangler mehr wird. Wenn ich ehrlich bin, sind mir die Fische sympathischer, die dann schlafen gehen wenn ich auch schlafen gehe ;)
Der nächste Tag, erneut mit herrlichem Frühlingswetter, 27°C Aussen -u. 20°C Wassertemperatur, versprach wieder ein Feeder-Festival der Spitzenklasse und so zog es uns wie jeden Tag ins Revier von "King" an unsere Sandbank. Nach etwa einer halben Stunde ohne Zucker der Rutenspitze wurde ich schön langsam nervös. Was war da heute los? Na gut, die haben nur Anlaufschwierigkeiten und müssen den Futterplatz wieder finden. Es wird mit einigen faustgroßen Bällen nachgefüttert. Nichts. Es rührt sich nichts. Wie ausgestorben. Starker böiger Wind pfeift entgegen der Strömungsrichtung an unseren gespannten Schnüren. Wie wenn man an einem toten Fluss sein Dasein fristet. 4 Stunden haben wir keinen Biss. Unsere Goldgrube hatte ihre Trümphe verspielt. Wir beschlossen kurzerhand, den Spot zu wechseln um vom Boot direkter im tiefen Wasser zu fischen, da der starke Wind bei der Bisserkennung auf langer Distanz nicht gerade dienlich war. Also suchten wir per Echolot einen geeigneten Platz, ankerten in der Hauptströmung und feederten flußabwärts. Trotz massenhaften Fischvorkommen war kein Einziger zu überreden, die angebotenen Maden am Haken einzuschlürfen. Unglaublich. Von einem Tag auf den anderen schien nichts mehr zu gehen. Am anderen Ufer klatschten die großen Brachsen ihren Marsch zum Laichen, was teilweise seltsam anmutete, da man scheinbar in einem von Fischen wimmelnden und brodeltem Abschnitt angelte und keinerlei Fische fangen konnte. Es war frustrierend und ich versuchte mich im Geiste immer wieder an "King" aufzubauen, der mir über die langen bisslosen Stunden doch ein wenig hinweghalf.
Riene va plus ... nichts geht mehr.Leider verlief auch unser letzter Angeltag nicht viel besser, obwohl wir da wenigstens ein paar kleine Barben und Brachsen fingen, die allesamt die Länge von 30cm nicht überschritten. Die Großen waren mit was Anderem beschäftigt. Den letzten Abend verbrachten wir nicht mehr am Boot, um den aussichtslosen Welsen nachzustellen, sondern schlugen uns gemeinsam mit 2 anderen Anglerkollegen in einem kleinen typischen italienischen Restaurant die Bäuche voll.
Ja, das war eine Woche. Eine Woche voller Hoffnungen, Spaß, Enttäuschungen, Überraschungen und Siegen. Eine Woche herrliches Erleben der Faszination dieses geheimnisvollen Flusses.
Po - ich komme wieder. Schon alleine des Feederns wegen .... und mögen diese Naturschätze, diese Fische wie "King" noch lange in den dunklen Wassern versteckt bleiben, um irgendwann von einem Erlesenen gehoben zu werden.
tight lines
sludgE