Dienstag, Juni 22, 2010

Daywalker...

Tja, so kanns Einem gehen, der auszog, das Fürchten zu lernen. Endlich war die anstrengende, stressige Arbeitswoche wieder mal vorrüber, und ich konnte mich abermals auf die Jagd nach den Tapirfischen machen. Natürlich hats mir keine Ruhe gelassen, daß mein Buschkamerad Iron-Will mittlerweile zum 10ten Mal geblankt hat, denn somit war es an der Zeit der Dschungellacke wieder mal einen Besuch abzustatten. Die Wetterprognose hatte Regen versprochen, was mich persönlich aber normalerweise nicht so stört, wenn ich darauf vorbereitet bin.Am berüchtigten Ameisenbaumplatz angekommen, wurde nicht lange gefackelt, ein paar Pellets angefüttert und die beiden scharfen Fallen an die bissträchtigen Stellen geschlenzt. Die Seerosenfelder werden nun auch kontinuierlich größer, der Unterwasserdschungel beginnt sich zu dichten, was zur Folge hat, daß man bei eventuellem Drill wohl überlegt und pseudointelligent zu Werke gehen sollte. So entscheide ich mich, meine Montagen etwas vor dem Rand der gegenüberliegenden, verwachsenen Flecken zu positionieren, um bei direkter Leine schnellstens den Druck auf den Fisch verlagern zu können. An Freilauf oder lockere Bremse ist keinesfalls zu denken...Und so bin ich unter dem Schirm gesessen, hab mir mein Schundromanheftl Maddrax Nr.224 in die Birne gezogen, und eigentlich mit keinen Sensationen gerechnet, da ja wie gesagt, beim Willi schon lange gar nichts gegangen war. Hin und wieder hat es eine Weile geregnet, was meiner relaxten Laune aber keinerlei Abbruch tat. Die Ameisen haben wie immer die Blattläuse ober mir gemolken, die Frösche quakten und dicke Libellen schnitten durch die Luft, um hin und wieder für einige Sekunden im dreidimensionalen Raum festzufrieren. Buschatmosphäre wie es sich gehört. Wie es der Teufel so will, geht dann alles blitzschnell. Von kommoter Lehnposition im Sessel zu adrenalingeschwängerter Körperkrümmung am Ufersaum innerhalb weniger Sekunden. Die beiden menschlichen Abtrünnigen am Eisplaneten, die soeben noch den necroidianischen Kopfgeldjägern der Neuen Welt entkommen waren, sind ansatzlos vergessen. Zwei Pieper, der Swinger kriecht nach oben, und ich starte vom Stuhl. Da darfst du nicht warten. Und echt. Bamm. Der hängt. JOOOOOOOOOOOOO. SCHWEIIIIN. Die Rute ist krumm, die Bremse knattert, und der Fisch zieht ansatzlos rechts vom Seerosenfeld weg. Bist du deppat. I bin so gscheid, des is unmenschlich. Genau so wie ich´s mir gedacht habe. Leider bleibt dieses Gfrast nicht stehen, oder ist irgendwie dazu zu bewegen, wieder die Richtung zu ändern, um ihn wieder an mich heranzubringen. Na Klassiker - er biegt mir in den nächsten Unterwasserwald, an meiner Uferseite ein. Ich gebe ihm jetzt keinen Zentimeter mehr. Sonst ist er verloren. Die Spannung lässt nach, ich kann etwas Schnur gewinnen. YES. Er kommt wieder raus und bläst wie ein Torpedo 6 Meter vor mir vorbei um auf der linken Seite in den nächsten vermeintlichen Unterstand zu flüchten. Ich komme mit der Kurbelei kaum nach, schaffe es aber dann trotzdem ihn abermals zu bremsen. Jetzt war erstmals die gröbste Gefahr vorrüber und ich hab den fetten Schuppler vor meiner menschlichen Linse im freien Wasser. 3 bis 4 Meter entfernt seh ich ihn von mir in der grünen Tiefe fighten. Joooooooo. Des is a. Das Buschmonster. Kein absoluter Ausnahmefisch, aber seehr gut. Mit Sicherheit mein Größter hier bis jetzt. Muahahahahah. Ich reime mir schon zusammen, wie genüsslich ich das jetzt dann dem Willi ums Maul schmieren werde. Do kummt da Sludge afoch amoi vorbei und faungt a Sau. Eh ois easy. Du brauchst nur des Wossa urnlich lesen und an die Reinkarnation des Franz von Assisi glauben. MUAHAHAHAHHAHA. Beinahe lässig mach ich die 2 Schritte zur Seite, nehme den Kescher vom Boden, und lass das Netz sachte vorm schwächer werdenden Monsterfisch ins Wasser gleiten. Gleich ist es soweit. Langsam und vorsichtig zieh ich den Schuppigen an den Kescherkopf heran. Der schüttelt wie in Zeitlupe 2 mal den Kopf, dreht um, und schwimmt weg. Bloss so. Der Sludge hockerlt mit gerader Rute, hängender Schnur und kescherbereit im Schlamm und packt die Welt nicht mehr. NAAAAAAAAAAAAAAAA. Der Fluch hat mich wieder eingeholt. Scheisse. Das darf doch nicht die Wahrheit sein. So, ganz ruhig. Nicht ausflippen. Nichts demolieren. Keine "Falling Down Aktion". Nervöses Sondieren der Umgebung, was oder wem man jetzt die Schuld geben könnte. Es gibt nichts Passendes im Busch. Vogelgezwitscher, Insektengezirpe, Froschgequake. Langsam werden auch die letzten Wellenkreise von der glatten Wasseroberfläche geschluckt und verschwinden in der scheinbaren Unendlichkeit des Donaualtarms.Das letzte visuelle Zeichen des soeben Geschehenen. Gaunz coooool. Es war nur ein Fisch. Es geht nur ums Angeln. Es war nur der persönlich Beste aus diesem Gewässer. Naaaa. Es war zum heulen. Echt. Seelisch schluchzend montiere ich neu und schlenze die Montage lieblos vor mir ins Freiwasser. Nein. Das war nicht so einfach zu verkraften, aber was konnte ich nun tun? Sinieren. Warum, wieso, weshalb? Wie kann des passieren? Ich hab den an der Leine, gib ihm die Pressung. Der klebt. Flüchtet in die Seerosen. Ich muss attackieren. Der klebt. Hab ihn vor mir im Freien und der steigt auf lässig aus dem Bewerb. Wie gibts des? Fuck. Bis zum Nachmittag fing ich noch 2 Brachsen auf 30er Kugel. Nein, die haben mich nicht so befriedigt, und mein Leid gelindert. Komisch. Als ich bereits mental abgeschlossen hatte, und die ersten Trümmer verstaut wurden, meldet sich die andere Rute. Piep. Piep. Swinger rauf. Piep. Piep. Swinger runter. Klassiker. Bream. Gehts doch bitte scheissen ( ich entschuldige mich hiermit für meine vulgäre Aussprache - aber alles andere wäre fern meiner Gefühlsstimmung gewesen ). Ich nehm die Rute von den Banksticks und will den vermeintlichen Weissen einkurbeln. Nur geht des ned so leicht. Hänger? Na geh , Alterrrrrrrr. Das auch noch. Und schon schiesst die Leine rechts weg und schneidet die Wasseroberfläche wie das vielbesagte Butterbrot. Joooooooooo. Druckaaaaa! Nummer ZWEI. Muahahha. Diesmal läuft alles glatt und ich kann einen urigen halbstarken Spiegler problemlos in die Keschermaschen bugsieren. Jo, da kam dann plötzlich doch noch halbwegs Freude auf, obwohl ich mich schwerstens belügen müsste, wenn ich die Sau vom Vormittag nicht auch gern gehabt hätte. Trotzdem, Spiegler war schon mal grundsätzlich eine feine Sache, da sie auch wie an meiner Schottergrube eher zur sporadischen Randgruppe zählen, und in der Übermacht der Schuppler zu verschwinden drohen. Nach Kollege Spiegelschwein hab ich dann zusammengepackt und bin heimgefahren. Der feiste verlorene Schuppige wurmte natürlich immer noch. Aber was solls. So ist des eben.Ich komme heim, stelle mein Tackle in die Ecke, geh ins Badezimmer und zieh mich aus. Whaaa. Monsterschwein verloren. Zum Heulen. Schau mir im Spiegel in die Augen, um die hinterste Ecke meiner Seele zu blicken. Nein. Ich war der dunkle Lord. So ein Erlebnis bricht nicht den Willen des Imperators. Nie im Leben. Jetzt erst recht. Zur Strafe hol ich euch alle. Eher im Randbereich meines Sichtfeldes nehme ich den kleinen roten Fleck um den Zeckenbiss wahr, der unter meiner rechten Brust vom Dschungel zeugt. Vor fast 3 Wochen hatte ich ja wieder mal ein paar der netten 6-beinigen Gesellen erfolgreich von meinem Körper entfernt, und mir nichts weiter dabei gedacht. FSME geimpft bin ich ohnehin, und schließlich waren das ja nicht die ersten Zecken in meinem Leben, die Freude an mir als Wirt gefunden hatten. Lächerlich. Bei genauerer Betrachtung muss ich feststellen, daß mir das gar nicht gut ausschaut, ich werde langsam nachdenklich und beginne mich schlau zu machen. Tja. Viel Möglichkeiten gabs ja nicht. Wird vermutlich nur irgendeine allergische Reaktion sein, welche allerdings bei mir noch nie in meinem Leben bei einem Insektenbiss oder Stich aufgetreten war. Die andere, weniger lustige Version wäre Lyme-Borrelisoe im ersten Stadium. Na, so a Pech hab i ned. Beim recherchieren im Netz der Weisheit sehe ich mir die Bilder der verschiedenen "Wanderröten" an; dem ersten und eindeutigen Indiz für eine Infektion mit Borrelien. Die sind alle fett und groß, und haben einen starke ringartige Rötung um die Bisstelle. Na, so is des bei mir nicht. Pfff. Ich gehe schlafen und versuche, die Gedanken einfach wegzublenden.In der Früh steh ich auf, schau natürlich sofort auf meinen Biss, und muss mit Schaudern feststellen, daß der über Nacht doppelt so groß geworden ist. Uhhhhhhhhh. Des schaut ma böse aus. Ich habe dieses unbehagliche, ungute Gefühl. Na aus. Das ist kein Spaß mehr. Ich recherchiere weiter. Wegen meiner langsam auftretenden Lichtempfindlichkeit muss ich mit Baseballkappe vorm Monitor sitzen, weil ich den hellen Himmel dahinter in den Augen nicht ertrage. Es ist wie in Blade oder bei einer langsamen Werwolfverwandlung. Ich bins jetzt. Der Daywalker. Ich bin ab nun für die Nacht gemacht. Na gut. Scheisse. Was soll i jetzt machen? Schließlich haben wir Wochenende und wenn ich wegen dem in die Notfallambulanz in den Spital fahre, fragen die mich ob ich noch alle Tassen im Schrank habe. Ich lese, lese und lese, vergleiche Bilder mit meiner Bisswunde, und komme zum persönlichen Schluss. Ich habe sie. Die verschissene Borreliose. Montag morgen geh ich ansatzlos zum Arzt. Nana, ned zum Praktischen, der vielleicht ahnungslos ist. Gleich zum Schmid, und ned zum Schmidl. Tropenzentrum. I spü mi ned.Gesagt, getan. Montag Morgen schwinge ich mich aufs Bike, und fahre im strömenden Regen ins KFJ-Spital. Nach 20 Minuten Sucherei und Fragorgien hab ich schlussendlich die Tropenambulanz gefunden, und bin nach kurzer Zeit vorm zuständigen lang- u. weisshaarigen Stationsoberarzt mit entblösster Titte gestanden, um hab ihm mein Mitbringsel vorgeführt. Tja, was soll ich euch sagen. Es hat keine Minute gedauert und die Sache war in mentalen Stein gemeiselt. Diagnose Borreliose. Wööödklasse. Das reimt sich sogar. Es gibt keine Impfung dagegen, jede Zecke, jede Mücke und jede Bremse kann diese nicht ungefährlichen Borrelien in deinen Körper jagen. Ganz einfach Pech gehabt. Tjo. Bad Luck - FUCK! Wieder ein feiner Reim. Gottseigedankt sofort entdeckt, also wird das hoffentlich keine bleibenden Schäden hinterlassen. So chronische Gelenksschmerzen zum Beispiel, brauch i ned unbedingt mein Leben lang. Jetzt 3 Wochen Hardcore-Antibiotika und dann sollte unter normalen Umständen die Sache gegessen sein. Man sollte dieses kleine 6-beinige Gesindel wirklich nicht unterschätzen, und wenn man bedenkt, daß in Hochrisikogebieten bereits jeder 5te Zeck diesen Schatz in sich trägt, wobei natürlich nicht immer eine Übertragung stattfindet, ist es eigentlich ein Wunder, daß ich zum ersten Mal eingefahren bin. Ich werde in Zukunft sicherlich etwas genauer nachsehen, wenn ich vom Fischen heimkomme, denn mit jeder Minute, die das Insekt länger an dir hängt, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Infektion. Und ich werde mir Hundezeckenbänder um die Knöchel schnallen, wenn ich im dichten Busch ansitze. Kann nichts schaden. Zecken -u. Insektenbisse werden natürlich immer wieder vorkommen, wenn man solch ein Hobby betreibt, nur sollte man die Gefahr, die von den kleinen Biestern ausgeht, keinesfalls unterschätzen. Ich kann übrigens ohne Sonnebrille noch immer nicht in den Himmel blicken, auch wenn dieser von Wolken verhangen ist. Und die fette schuppige Monstersau auch noch verloren. Ein Traum. Der dunkle Lord...voi einegschissn...i bins, da Daywalker...
tight lines
Sludge