Wer kennt das nicht. Heute war wieder mal so ein Tag, wo man sich am liebsten, sobald man in der Früh aus dem Fenster geschaut hatte, einmal um die eigene Achse gedreht und bis Mittag weitergeschlafen hätte. Eine dichte, hellgraue Wolkendecke am Himmel zeugte nicht gerade von sommerlichen Bedingungen und machte wirklich Lust auf einen Tag vor dem Rechner oder auf der Couch. Aber warum steht man dann trotzdem an einem Sonntag auf, quält sich in Badeshort und in die, von getrockneten Fischschleim steife Armyhose, und steht mit dicken verschwollenen Augen in der Früh vorm Spiegel, weil man die ganze Nacht vorm TV gesessen hat ? Ganz klar. Jagdfieber ist das Zauberwort. Der Geist ist willig, doch der Körper ist schwach. Will man fette Gelbe in die Kamera halten, muss der Köder im Wasser sein. Praktisch ... nicht theoretisch. Gottseidank gibts keine Alternativen; also brauchte man auch nicht weiter drüber nachdenken. Also wurde das Tackle geschnappt und gemeinsam mit Isa nach SB gefahren. Dort angekommen war das Wetter dann auch noch um Ecken besser als in unserer Gegend, ab und zu knallte auch kurzzeitig die Sonne durch die Wolkenlücken und ein rauher aber warmer Nordostwind peitschte die Wellen an unseren Uferabschnitt. Ja, das war er wieder. Der fängige Wind. Meine Montagen lagen seit eineinhalb Stunden exakt an den Plätzen, wo ich sie auch haben wollte, bis um kurz nach 11 der ersten Stratos meterweise Schnur vom Leib gerissen wurde. Ich löste mit Isa gerade ein paar Kreuzworträtsel, als die Apokalypse hereinbrach. "Hmm - italienischer Mönch mit 6 Buchstaben - gestorben 522 n. Chr. -- 2ter Buchstabe ein R - na Eugen, san de eigentlich geistesgestört, de Mocha von de Rätsel - wer soi so a Scheisse wissen ?" Whaaaaaaaaaa - Vollrun! Jawohl. Nichts wie hin zur Rute, Kontakt aufnehmen ... uhhhh ... kurzzeitig die Situation überhaupt nicht schnallen. Monsteralarm ! Das merkst du sofort. Obwohl meine Bremse wegen den Krautfeldern und Schilfgürteln ziemlich streng eingestellt ist, wird mir bei, bis ins Handteil gekrümmter Rute, weiter Schnur abgezogen. Na bist du deppat. Irgendwie fühle ich mich hilflos. Der Fisch zieht untypisch nach rechts von mir weg und ich kann einfach nichts machen. Oja. Vorerst mal schnell Klamotten runter und ins Wasser. Winkel verbessern. Mittlerweile ist der Bursche mit Sicherheit 90 Meter von mir entfernt und ich kann ihn nur in den dichten Krautfeldern vermuten. Ich habe erstmals Angst ums Material. Ist die 0,33er Mono als Hauptschnur doch zu schwach auf die Dauer? Der Wind bricht sich an der straff gespannten Leine und singt mir wieder mal seit langem, das Lied vom Kapitalen. Mein Widersacher steht plötzlich. Nein. Ist er weg? Die Antwort wird mir ansatzlos von der, wieder in höchsten Tönen summenden Rollenbremse gegeben. Und er pflügt wieder weiter nach rechts weg Richtung Ufer. Wenn er dort irgendwo in den Schilfwald kommt, wars das. Adrenalinschübe. Der Hammer. Ich muss Druck machen, obwohl ich es nicht will. Der mentale Krieg beginnt. Gewalt mit Gefühl ist die Wunderkombination. Ich stehe bereits bis zur Brust im Wasser und kann keinen Schritt mehr weg vom Ufer machen. Der Kampf befindet sich in seiner schlimmsten Phase...
Nach schier endlosen Minuten musste mein Gegner am anderen Ende der Leine wohl einsehen, daß er es hier auch nicht mit einem Schulmädchen zu tun hatte, und drehte endlich wieder ab, um möglicherweise wieder im Krautfeld Schutz zu suchen. Das war genau das was ich wollte. Ich hatte ihn wieder im Freiwasser. Und sie hielt wieder. Prologic XLNT camo - ich liebe dich. Da konnte ich ihn Meter machen lassen und mit der Rollenbremse spielen, um ihn ganz kaltblütig auszupowern, was schlußendlich auch zum Erfolg führte. Als ich den Rüssler in den Kescher lotse, sehe ich erst genau, was ich da für einen besonderen Fang gemacht hatte. Muhahahahahahahah. Traumhafter gelber Spiegler ! YES - und vernünftige Kategorie noch dazu. Ich bin überglücklich, weil der Fang eines "Mirrors" in diesem Gewässer doch was ganz Aussergewöhnliches war. 24lb 14oz - 11,20 kg. Der erster Spiegler in SB und gleich Venue PB. Alter Schwede, was wollte man mehr. Da der Kerl eine fast knochige Schuppenreihe rund um die Kiemendeckel hatte, bekam er von mir den Namen "Bone-Neck". Was war das für ein herrlicher Fisch mit einem Kämpferherz, das Seinesgleichen lange suchen würde. Danke, daß ich dich kennenlernen durfte, Bone-Neck !Und obwohl ich den ganzen weiteren Tag keinen Biss mehr hatte, fuhr ich wieder mal äußerst befriedigt nach Hause, denn ich hatte wieder mal ein Bruchstück des Schatzes geborgen, der da unten in den grünen Tiefen auf seinen Entdecker wartet ...
tight lines
sludgE
update: Nachdem ich den Jungs am Abend die Fotos gezeigt habe, sind wir wieder mal draufgekommen, daß Horstl "Bone-Neck" schon mal gefangen hat. Was bei einem Spiegleranteil von maximal 0,5% im Gewässer nicht wirklich eine Aufgabe war. Fast genau vor einem Jahr am Ostufer. Damals hatte er ziemlich genau 10kg, was uns wieder mal perfekt vor Augen führt, was die Catch & Release Ideologie ausmacht. Ich fang´ ihn ein Jahr später in traumhafter Kondition und Bone-Neck hatte in ziemlich genau einem Jahr 1,2 kg zugenommen und war doch sichtlich um ein Stück gewachsen, obwohl wir beide nicht gemessen hatten. Das sieht man mal wieder, daß es kein Fehler sein kann, seine Fische zu fotografieren und sie nicht "sinnvoll zu verwerten".