Freitag, Juni 23, 2006

Monsternight & PB

Ich schreibe diese Zeilen mit einem anglerischen Glücksgefühl, wie noch nie in meinem Leben zuvor. Gestern entschied ich mich spontan für eine Nachtsession, die es in sich haben sollte. Am frühen Nachmittag fuhr ich noch zu meinem Tackledealer (ProFishing), um mir einen neuen Angelstuhl zuzulegen, da mein alter Crowhill-Sessel nach harten Beanspruchungen nun doch seinen Geist aufgegeben hatte, und mittlerweile ein Rentnerdasein im Kofferraum meines Kombis zu fristen. Ich entschied mich für einen Fox Stalker, der äußerst bequem ist und auch zu einem erschwinglichen Preis zu haben war. Nebenbei füllte ich meinen Futtervorrat mit Kichererbsen, Tigernüssen, div. Maissorten und Grundfuttermischungen auf, die schön langsam zur Neige gegangen waren. Um 16 Uhr war ich jedenfalls am Teich, baute mein Lager für die Nacht in aller Ruhe auf und begann um ca. 18Uhr mit dem Fischen. Bis zum Einbruch der Dunkelheit versuchte ich mein Glück mit der Feederrute, was allerdings zum ersten Mal in diesem Jahr nicht von Erfolg gekrönt war, und meine Erwartungen für die heutige Nacht gleich mal runterschraubten. Wenn nicht mal an der Feeder mit Maden was ging, konnte man nicht gerade mit einem Biss-Spektakel rechnen. Die Wettervorhersage war auch nicht gerade berauschend, da mit Gewittern und Regengüssen gerechnet werden musste, und die herannahenden Wolken auch schon Kunde davon trugen. Sicherheitshalber stellte ich schon vor der Dunkelheit meinen Allwetterschutz und Schirm auf, was sich als äußerst vernünftigt herausstellen würde. Um 21 Uhr entschied ich mich den Rodpod aufzubauen und die Ruten für die Nacht herzurichten. Die Diabolo wurde mit einer Kichererbsen/Tigernuss-Kombination in etwa 30m Entfernung an der Kante zum tieferen Wasser versenkt, die Fox Avon fischte ich mit einer 4er Maiskette lediglich 10m vom Ufer entfernt. An beiden Ruten kam eine Festbleimontage zum Einsatz, da ich mit Schlafeinbrüchen in der Nacht rechnen musste, und somit gewährleistet war, daß der Fisch auch hing, wenn ich nicht in den ersten Sekunden bei der Rute wäre. Kaum war die Sonne weg, machten mir auch meine Freunde, die Stechmücken, wieder das Leben schwer. Doch heute war ich vorbereitet und konnte mit Antimückenspray das Leiden ein wenig eindämmen. Am Gewässer waren außer mir lediglich zwei andere Fischerkollegen, die ihr Glück bei der Welsjagd versuchten. So saßen wir zu dritt verstreut an einem 6,5ha großen Teich, was der Ruhe äußerst zuträglich war und ein entspanntes Fischen möglich machte. Um 22Uhr war erstmals ein bedrohendes Donnergrollen zu hören, was ein heranziehendes Gewitter ankündigte. Keine 10min später erhellten die herrlichsten Blitze den Nachthimmel und es begann wie aus Kübeln zu schütten. Und so saß ich auf meinem neuen Fox-Chair unter meinem Allwetterschutz und betete, nicht gerade jetzt wegen eines Bisses die Ruten in die Hand nehmen zu müssen, um zur lebenden Fackel zu werden. Die Blitzaufkleber an den Ruten taten für meine Vorsicht ihr Übriges. Um ca. 23Uhr war das Sommergewitter vorübergezogen und es regnete bei weitem nicht mehr so stark wie vorher. Von einem Biss war bis jetzt nicht mal der Hauch einer Spur zu merken. Sollte ich so für meine Mühen und Spontanität belohnt werden ? Gotteseidank nein! Um 23:30 war es soweit und ein Vollrun an der Diabolo ließ meine Müdigkeit in Sekundenbruchteilen schwinden. Wenige Minuten später konnte ich einen 8Pfund Spiegler, der sich die Kichererbsen/Tigernuss-Kombi einverleibt hatte, in die Kameralinse halten und mein Gemüt nun doch wieder auf Vordermann gebracht hatte. Dann war wieder Ruhe am Teich eingekehrt, gespenstische Nebelschwaden krochen im Schein der Kopflampe über die Wasseroberfläche und die zahlreichen Frösche sangen wieder ihr Lied vom "Herr am Teich". Um 1Uhr kam dann auch Erich "Staudi", einer der beiden Welsfischer auf einen Besuch vorbei, und ich konnte ihm wenigstens schon ein Foto des Spieglers auf der Digitalkamera offerieren. Bei Ihnen hatte sich noch nichts getan. Der Regen hatte mittlerweile komplett aufgehört und von nun an war es eine herrliche Nacht zum Angeln. Und während wir beide so da saßen und plauderten, brach von einer Sekunde auf die andere die Hölle an der Fox Avon herein. 1:20h. Der Bissanzeiger schien sich die Seele aus seinem mechanischen Leibe zu brüllen und tat Kunde von der Sinnhaftigkeit der 4er Maiskette. Meterweise wurde die Schnur von der DAM-Rolle gerissen und die leichte 1lbs Rute musste in die Vollen gehen. Staudi holte geistesgegenwärtig meine 2te rute ein, um keine Schnurverwicklungen zu provozieren. Nach etwa 50m Run drehte der Bursche um und zog nach rechts in Richtung Seerosenfeld. Ich musste ihn ein wenig forcieren, die Fox-Rute überzeugte, und somit war klar, daß sie jeden müden Cent wert war. Er dreht ab und schwamm wieder ins Mittelwasser. Während des Drills spürte ich, da wohl einen Besseren gehakt zu haben, und ging mit äußerster Vorsicht zu Werke. Die 0,28er Prologic Camo war wie eine Gitarrensaite gespannt und drohte jeden Moment zu reissen. Mit einem unguten Gefühl dachte ich nun an die Knoten und Wirbel. Hatte ich irgendwo nachlässig gearbeitet? Sind alle Verbindungen stark genug? Hält das Material? Nach 20 Minuten hatte ich ihn 2m vom Ufer entfernt, und konnte ihn erstmals kurz im Schein der LED-Lampe "Staudi´s" unter der Wasseroberfläche sehen. Ja der war nicht schlecht, machte Wellen wie ein Großer und ich schätzte ihn auf ca. 16 bis 18 Pfund. Doch jetzt begann der Spaß erst, da er jedes Mal wenn er uns sah, wieder zum Grund zog, und ich absolut keine Chance hatte, ihn in den Kescher zu zwingen. Unglaublich, was der Bursche für eine Kraft hatte. Und so lief in der nächsten halben Stunde stets das gleiche Spiel - ich pumpte ihn heran bis das Festblei an der Oberfläche zu sehen war - rrrrrrrrr - und wieder wurden die obligaten 3m Schnur von der Rolle gezogen. Ich wagte nicht, die Bremskraft zu erhöhen, da ich mittlerweile schon mit meinem Personal Best oder den für mich magischen 20 Pfund spekulierte. War es nun wirklich so weit? War nun die Zeit gekommen, erstmals in meinem Leben einen 10+ in die Kamera halten zu dürfen? Ich durfte keinen Fehler machen. Mittlerweile saßen Staudi, mit dem Kescher in der Hand, und ich schon im Gras am Ufer und hatten uns mit der Situation abgefunden, daß es wohl noch ein wenig dauerte, bis der Schuppenträger Ermüdungserscheinungen zeigte, und bereit für die Landung war. 2:35Uhr. Es war geschafft. Ein für meine Verhältnisse riesiger Schuppenkarpfen lag vor mir, meine Hände zitterten und ich wußte im Inneren schon um die magische Stunde Bescheid. Das war auf jeden Fall der größte Karpfen, den ich je in meinem Leben gefangen hatte. Nach einigen Fotos, die Staudi von mir mit dem Monster machte, war nun die Stunde der Wahrheit gekommen und wir schritten zur Abwaage. Muhahahahahaha - als ich im Schein meiner Kopflampe die Skala fixierte und sich der Zeiger bei 27Pfund ! einbremste war es Gewissheit. YEEAAHAH ! Absoluter Rekord für mich und erstmals mit Abstand die 10+ Marke überschritten. Nun verabschiedete ich meinen Gegner mit Respekt für seine unbarmherzige Kampfkraft und ließ ihn , nachdem er sich im Kescher ein wenig erholt hatte, wieder in seine wohlverdiente Freiheit. Vielleicht sehen wir uns wieder mal, ließ ich ihn im Gedanken wissen. Er war ein ernstzunehmender Kontrahent gewesen und verdiente meine Hochachtung. Staudi grinste auch über das ganze Gesicht, klopfte mir respektvoll auf die Schulter und wir rauchten in aller Ruhe eine Zigarette auf den Sieg, bevor ich die Ruten erneut auslegte. An dieser Stelle möchte ich Staudi für seine Hilfe herzlichst danken, da ich es ohne ihn doch um Ecken schwerer gehabt hätte, den Burschen erfolgreich an Land zu bringen. Leider konnte ich bis um 7Uhr in der Früh keinen Biss mehr verzeichnen, was mir aber nach dieser Nacht herzlichst egal war und ich äußerst befriedigt meinen Heimreise antrat. Der Morgenstau in Wien konnte mir keinen einzigen schlechten Gedanken aus der Seele locken und ich saß mit einem breiten Grinser am Steuer meines Wagens, während rings um mich die Leute mit depressiv versteinerten Mienen auf dem Weg in ihre Arbeit waren. Wie konnte der Arsch bei so einem Wetter und um diese Uhrzeit so gut aufgelegt sein, las ich in ihren Gedanken, als sich unsere Blicke trafen. Muahahhaha - sie hatten keine Ahnung. 27Pfund, ihr Eier!

tight lines
sludgE