Dienstag, Juni 28, 2011

Die Zeit - Geissel des Geistes!

Eigentlich bin ich ja ein Nerverl beim Fischen. Wobei vor allem beim Karpfenangeln diese Negativ-Tugend nicht gerade förderlich ist, denn wie wir alle mittlerweile wissen sollten, ist die Zeit selbst das Zünglein an der Waage, welches zwischen Glück, Schicksal und erarbeitetem Pseudoerfolg unterscheidet. In meinem Fall ist es ein chronischer Kampf gegen die persönlichen Windmühlen in der Birne, den ich immer wieder demütigst verliere, was da bedeutet, daß ich es unter normalen Umständen keine 4 - 5 Stunden aushalte, die Falle am Grund nicht zu kontrollieren. Was sind etwa 300 Minuten in der Wahrscheinlichkeit der Seins? Vor allem in der Wahrscheinlichkeitspanne bis zum nächsten Biss? Nichts...Aber trotz diesem Bewußtsein verlier ich früher oder später die Nerven und kurble ein. Möglicherweise liegt die Montage schlecht, hat sich eventuell verwickelt oder befindet sich an einem Spot, wo die nächsten 3 Wochen ohnehin kein Rüsselfisch vorbeikommt? Wer weiß das schon? Im Altarm bin ich mit dieser Kurzzeittaktik bis jetzt eigentlich ganz gut gefahren, da dort offensichtlich Bedingungen herrschen, wo eine Stelle komplett gemieden wird, während 1m daneben ein Biss nach dem anderen den Bissanzeiger zum Kreischen bringt. Faulschlamm, natürliche Nahrungsaufkommen, Shadow Zones, Holding Areas , blabla. Viel Werfen bringt viel Fisch. Natürlich sind solche Gegebenheiten auch dort nicht an der Tagesordnung, lassen es aber zumindest zu, daß ich mir halbwegs ein Urteil bilden kann. Als Nerverl somit die ideale, kurzweilige Hinterhalts-Fischerei ...Und da siehts auf der Schottergrube aber ganz anders aus. Sweetspring wird dank der natürlichen Auslese durch die Sackler und Verwerter kontinuierlich bockiger, was aber für unsereins selbstverständlich als äußerst positiv zu werten ist. 4 Jahre kein Karpfen-Neubesatz waren genau das Richtige, denn das Durchschnittsgewicht der schuppigen Freunde steigt kontinuierlich an, was uns natürlich helle Freude bereitet. Der Großteil der angelnden Kollen am Hollywood-Lake ist folgedessen mittlerweile etwas frustriert und erste Unmutsäußerungen werden kundgetan. Do is jo nix mehr drin, die Welse fressen alle Wasservögel und die obligaten Riesenschildkröten tun ihr Übriges. Super. Jo, die Ära der 25 Bisse am Tag ist vorbei. Recht so. Jetzt ist die Zeit gekommen, wo du mit 2 Körnern am Haken, 15m vorm Ufer scheissen gehen kannst. Die Rüssler sind auf ein gesunde Anzahl für die 28ha geschrumpft und machen es den fischenden Probanden natürlich nicht mehr so leicht wie noch vor einigen Jahren. Mir als Nerverl, allerdings auch nicht. Die obligaten Bank-Spots in der Ferne waren eigentlich tot, an meiner Schilfkante war ausser Rotfedern und Brachsen keine Flosse zu sehen und schon wieder stand ich vor der Frage, was ich tun konnte, um nicht abermals blank heimfahren zu müssen...Was kann ich anders machen als sonst? Köder? Montage? Spot? Futtermenge und Material? Nein. Ich hab´s. Ich probier was ganz Abgefahrenes. Ich mache mir den am höchsten anzusiedelnden und ausschlaggebenden Faktor der modernen Karpfenfischerei zu Nutze. Die Macht über sämtliche Gewässer dieses Planeten. Egal ob am 1000ha Hardcore-Ocean oder dem Löschteich der freiwilligen Feuerwehr in Unterpremstätten. Zeit. Was ist Zeit? Ich zitiere aus der allwissenden Müllhalde unserer Tage - Wikipedia:
Die Zeit beschreibt die Abfolge von Ereignissen, hat also im Gegensatz zu anderen physikalischen Größen eine eindeutige, unumkehrbare Richtung. Nach den physikalischen Prinzipien der Thermodynamik kann die Zeit als Zunahme der Entropie, d. h. der Unordnung in einem System, betrachtet werden. Aus einer philosophischen Perspektive beschreibt die Zeit das Fortschreiten der Gegenwart von der Vergangenheit kommend zur Zukunft hinführend. Nach der Relativitätstheorie bildet die Zeit mit dem Raum eine vierdimensionale Raumzeit, in der die Zeit die Rolle einer Dimension einnimmt. Dabei ist der Begriff der Gegenwart nur in einem einzigen Punkt definierbar, während andere Punkte der Raumzeit, die weder in der Vergangenheit noch der Zukunft liegen, als „raumartig getrennt“ von diesem Punkt bezeichnet werden.
Ja bist du denn gelähmt. Wenn ich anfange da drüber nachzudenken, ist es Zeit, sich wirklich was zu überlegen. Ich sag mal, alles eine Frage der Wahrnehmung. Fakt ist, daß für mich als Nerverl, 8 Stunden lang sind, wenn ich auf den Biss warten muss ohne irgendwas tun zu können. Was sind 8 Stunden in der Unendlichkeit des Raumes? Keine Ahnung - aber sicher länger. Aber heute war ich soweit. Die Dinosaurier-Herrschaft unserer Erde war lang vorbei, aber ich hab´meine Montagen liegen gelassen. In der Früh hingekommen, jede Falle einmal platziert, 20 Minuten fettest dazugeröhrlt und die Zeit arbeiten lassen. Natürlich hab ich wieder gehadert, wie Ewigkeiten nichts passiert ist, aber ich habe die Schlacht gegen meinen inneren Drang gewonnen, denn nach 9 Stunden war es soweit und der erste feine Schuppige hat sich die 24er Dragonblood-Kugel in den Rüssel gezogen. YES! So soll es sein. Beim Richtigen gebissen ;)Hehe. Das Ultra-System schien aufzugehen. Wieso bin ich nicht schon früher auf diese Idee gekommen? Ja klar, weil ich ein Nerverl bin. Besser schon einen Fetten auf der Kamera, als drauf warten zu müssen ;) Irgendwann wird man gierig und denkt, man kann die Zeit mittels Wunderköder und Überwissen überlisten. So wie in "Zurück in die Zukunft" ungefähr. Aber des geht ned. Zumindest hier an der Schotterlacke nicht mehr. Aber jetzt war ich wieder um eine Erfahrung reicher. Ich musste nur ordentlich füttern und es ausknotzen. Geil war das dann irgendwie, wenn ich so im Sessel gelungert bin, während andere Angler gekommen und nach ein paar Stunden missmutig wieder gegangen sind. "Do geht nichts - des Wossa is tot!" Ich im grinsenden Bewußtsein, daß es früher oder später wieder scheppern würde. Nur nicht nerverln...Und was soll ich euch sagen? Dem war auch so, denn genau um Mitternacht lief zum zweiten Mal die Mühle ab. Muahhahaha. Ahnungsloses Pack! Nur die Ruhe putzt die Schuhe ... und füllt die Keschernetze mit gar güldenem Schuppengetier. Hehe. Nach heroischem Ringen und epischer Schlacht in der Dunkelheit, schaff´ ich es beim ersten Versuch das nächste Rüsselschwein einzunetzen. Und abermals für Sweetspring Verhältnisse eine echte Granate. Jawohl. Da durfte man wahrlich nicht meckern...Nachdem ich meine scharfe Falle erneut in die schwarze Nacht hinausgeblasen habe, um dann geifernd beim Anblick des Rüsslers am Display der SLR Kamera wieder ins Land der Träume zu fallen, bin ich irgendwann in der Morgendämmerung wieder wach geworden, da mich meine gefüllte Blase daran erinnerte, daß die Zeit auch ein nicht zu unterschätzender Feind ist. Freund und Feind in Einem. Spiegelglatt lag die Wasserfläche vor mir und ich war bereits mehr als zufrieden. 2 feine Tapirfische verhaftet, die Isa schlief tief und fest in unserer Behausung und die ersten Vögel kündeten vom nahen Sonnenaufgang. Das Leben konnte so schön sein. So einfach und so schön...Und ich hatte noch ein entscheidendes Ass im Ärmel. Den Joker der Zeit. Also hab ich natürlich nicht neu geworfen, wie ich es sonst auch in der Früh mache, sondern bin wieder auf die Liege gekrochen. 2 Stunden später musste ich ohnehin wieder raus, da nun Timecarp Nummer 3 die Leine von der Rolle riss. Wieder waren geschätzte 8 Stunden seit der letzten Aktion vergangen. Eine ziemlich geile Sache, wenn man 2 Ruten insgesamt nur 4 mal wirft und damit drei gute Fische am Konto hat. Von wegen, da sind keine Gelben mehr vorhanden. Innerlich musste ich schmunzeln, wenn ich an die Gschichten der angelnden Gemeinde dachte und meine Rute bis ins Handteil krumm war. Und ich bin wahrlich kein Krösus der Karpfenfischerei. Schon folgte Saugdeppenkugelfisch Nummer 3 seinen Vorgängern in die Maschen. Muahahahha...Selbstverständlich hab ich nach dem neuerlichen Auswerfen der Montage kein einziges Mal mehr bis zum Heimgehen meine Ruten berührt. Immerhin hatte ich wieder was gelernt. Die Zweifel sind natürlich auch heute noch nicht weg, wenn ich auf den Biss warte und drüber siniere, wie verwickelt das Rig möglicherweise in zentimeterdickem Faulschlamm dahinvegetiert. Aber da muss man anscheinend durch. Glaube und Vertrauen. Kontrolle ist gut, Abzuwarten besser ...
tight lines
Sludge